Biden mit klarem Vorsprung – Vorwahlen im Schatten der Corona-Pandemie
von Prof. Dr. Christiane Lemke und Jakob Wiedekind, M.A.:
In dieser Woche schafften es die Vorwahlergebnisse nur unter „ferner liefen“ in die Berichterstattungen des Landes. Obwohl dies sehr wichtige Vorwahlen waren, vor allem im bevölkerungsreichen swing state Florida, in Illinois im Mittleren Westen, sowie in Arizona, standen in den Medien, verständlicherweise, die Nachrichten über die, teils drastischen, Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie mitsamt der wirtschaftlichen Folgen im Zentrum. Nach anfangs verharmlosenden Äußerungen der Trump-Administration, die in dem Coronavirus den nächsten Schwindel der Demokraten sah, ist in vielen Staaten das öffentliche Leben nun praktisch zum Erliegen gekommen: Schulen, Universitäten und Kirchen ebenso wie die Mehrzahl der Geschäfte, Restaurants und Cafés bleiben geschlossen und die Bevölkerung wird aufgefordert „social distancing“ zu praktizieren. Die Grenze zu Kanada und Mexiko wird zudem für "all nonessential travel" am kommenden Wochenende geschlossen und weitreichende Reiserestriktionen insbesondere für EU-Mitgliedsstaaten wurden eingeführt. Die Pandemie hat die USA erreicht. Dies führt dazu, dass wir aufgrund der ungewissen Dauer und des noch unübersehbaren Ausmaßes der Pandemie wohl die ungewöhnlichsten Wahlen, die jemals in der Geschichte der USA stattgefunden haben, erleben werden. Es wird bis auf Weiteres keine großen Wahlkampfveranstaltungen in vollen Sälen geben, persönlicher Kontakt zwischen Kandidaten und Wählern/innen ist nicht möglich, wodurch sich die Wahlkämpfe noch stärker in den digitalen Raum verschieben werden. Natürlich ist auch der tatsächliche Wahlakt direkt betroffen, doch dazu später mehr, denn am vergangenen Dienstag fanden noch drei entscheidende Vorwahlen wie geplant statt.
Die Ergebnisse dieser Vorwahlen bestätigen den Trend, der sich schon in den letzten zwei Wochen herauskristallisiert hat (siehe Blog-Beiträge I+II). In allen drei Bundesstaaten, Florida, Arizona und Illinois, ist Joe Biden als klarer Sieger hervorgegangen. In Florida konnte Biden sogar jedes County für sich entscheiden. Seine stärkste Unterstützung erhielt er von den moderaten, den über 50-jährigen sowie den Afro-Amerikanischen Wählerinnen und Wählern. Neu ist, dass auch sehr liberale Wähler sowie solche, die eine grundsätzliche Reform des Wirtschaftssystems befürworten, Biden ihre Stimme gaben. Bernie Sanders wird weiterhin von den jüngeren Wählern bevorzugt und empfängt nach wie vor zahlreiche Spenden, die es ihm erlauben würden seine Kampagne trotz dieser Niederlage fortzusetzen. Die Gruppe der Hispanics unterstützte Sanders teilweise zwar in Arizona und auch in Illinois merklich, aber in Florida bleibt Sanders umstritten wegen seiner früheren lobenden Äußerungen über Fidel Castros Kuba – viele Hispanics in Florida sind vor der Unterdrückung der Castro-Herrschaft geflohen oder haben noch Verwandte auf der Insel.
Inzwischen sind aufgrund der Zuspitzung der Corona-Pandemie schon Vorwahlen verschoben; das prominenteste Beispiel ist Ohio, ein außerordentlich wichtiger Bundesstaat, der zu den umkämpften swing states zählt. Dort herrschten aufgrund der vielen Einschränkungen im öffentlichen Leben so chaotische Verhältnisse, dass die Wahl sehr kurzfristig verschoben wurde, um rechtliche Anfechtungen zu vermeiden. Andere Bundesstaaten haben spätere Termine, im April oder Juni, vorgesehen; angesichts der sich auch in den USA rasch ausbreitenden Pandemie ist derzeit aber unklar, ob selbst diese Termine eingehalten werden können. Gleiches gilt auch für den Nominierungs-Parteitag der Demokraten im Juli. Vor diesem Hintergrund ist es sehr wichtig und wohl auch notwendig, dass sich in der Democratic Party mit Joe Biden ein klarer Favorit herauskristallisiert hat. Es ist nun an Bernie Sanders zu entscheiden, wann er seine Kandidatur einstellt und Biden unterstützt – die Chancen auf die Nominierung sind für Sanders nur noch rechnerischer Natur und äußerst gering.
Beide Kandidaten stellen im Übrigen die Krisenbewältigung und den Umgang mit dem Coronavirus in das Zentrum ihrer Kampagne, da in den letzten Wochen klar geworden ist, dass das Weiße Haus und vor allem Donald Trump jene Führungskraft vermissen lassen, die eine Krise dieses Ausmaßes erfordert. Um den Kontrast zum aktuellen Präsidenten offensichtlich zu machen, haben sowohl Bernie Sanders als auch Joe Biden konkrete Pläne im Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus auf ihren Wahlkampf-Webseiten platziert. Zweifel an der Kompetenz des Präsidenten waren bereits in seinem Leugnen der Gesundheitskrise deutlich und in falschen Aussagen, die über die Pandemie getätigt wurden. Erst die rasant fallenden Börsenkurse gaben genug Schubkraft zu reagieren. „Große“ Finanzspritzen mögen zwar die unmittelbaren Folgen für Unternehmen und Beschäftigte mildern, dennoch bleibt die Problematik des Führungsversagens ein systemisches Problem, da der Präsident in der Vergangenheit Forschungsmittel im Bereich der Epidemie-Grundlagenforschung gestrichen hatte, und besonders auch das Center for Disease Control and Prevention (CDC) Personal- und Mittelkürzungen erfahren hatte. Selbst in der aktuellen Krise will der Präsident keine zentrale Koordinationsfunktionen übernehmen, sondern hat dies vor allem an die Gouverneure und Gesundheitsexperten delegiert. Eine der jüngsten Umfragen von Politico zeigt, dass die Mehrheit der amerikanischen Bevölkerung Trumps Reaktion auf die Krise für ungenügend oder nur mittelmäßig hält.
Bleiben Sie gespannt: Wir werden weiter über die Wahlen berichten und sie analysieren.